Realisierung einer offenen Rechnung bzw. Forderung – gute Recherche ist Voraussetzung

4. Oktober 2016

Hamburg (2016) – Unbezahlte Rechnungen, die trotz Zahlungserinnerung und ein oder mehreren Mahnungen unbezahlt bleiben, sind keine Seltenheit und bedeuten nicht nur mehr Arbeits- und Zeitaufwand sondern können auch das eigene Unternehmen in Schwierigkeiten bringen. Die Beauftragung eines Inkassodienstleisters hat viele Vorteile: die Entlastung der Mitarbeiter/innen in der Buchhaltung, weniger Ärger und Zeitaufwand mit bereits erbrachten aber nicht bezahlten Aufträgen. Die Kosten für die weitere Bearbeitung der unbezahlten Rechnung, also die Inkassokosten, trägt in der Regel der säumige Kunde. Der Gesetzgeber hat dazu folgende Regelung festgelegt: ein Schuldner, der eine Forderung nicht fristgerecht bezahlt, befindet sich in Verzug. Der Schuldner hat dem Gläubiger den durch den Zahlungsverzug entstandenen Schaden zu ersetzen. Das sind neben den Verzugszinsen, den Kosten für kaufmännische Mahnung auch die Inkassokosten, welche sich aus der Inkassovergütung und den Auslagen zusammensetzen.

Forderungen im B2B Bereich
In der Regel mahnt auch das Inkassounternehmen die offene Rechnung mindestens einmal an und kündigt für den Fall der Nichtzahlung – je nach Auftrag – das gerichtliche Mahnverfahren an. Nach Ablauf der Frist sollte eine ganz grundlegende Frage geklärt werden: will der Kunde/Schuldner die offene Rechnung „nur“ nicht bezahlten, oder kann er sie (aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation) vielleicht sogar gar nicht bezahlen. Diese Frage ist die Basis für das weitere Vorgehen. Resultiert die offene Forderung aus einem B2B-Geschäft und ist der Kunde/Schuldner z.B. eine GmbH, die bereits in größeren Zahlungsschwierigkeiten ist, kann zwar die offene Forderung im Rahmen des gerichtlichen Mahnverfahrens tituliert werden. Es ist aber unter Umständen zweifelhaft, ob die titulierte Forderung dann tatsächlich realisiert werden kann. Dann kann vielleicht ein ganz anderer Weg und Ansatz den Geschäftsführer der GmbH dazu bewegen, die offene Rechnung auszugleichen. Hier steht z.B. die Frage einer möglichen Insolvenzverschleppung im Raum. Diese Frage sollte dann strafrechtlich mit einem Anwalt zusammen überprüft und ggf. weiterverfolgt werden.

Forderungen im B2C Bereich
Resultiert die Forderung aus dem B2C-Bereich, sollte auch hier möglichst zügig geklärt werden, warum der Kunde/Schuldner die Rechnung nicht ausgleicht: will er nicht oder kann er nicht. Die Einholung einer Bonitätsauskunft gibt z.B. Aufschluss darüber, ob der Kunde/Schuldner evtl. bereits eine Verbraucherinsolvenz beantragt hat. Dann gilt er in der Regel als zahlungsunfähig. Hier muss geklärt werden, wann das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und in welchem zeitlichen Zusammenhang die Beauftragung und die Rechnungsstellung zum Insolvenzverfahren stehen. Ist die unbezahlte Rechnung Teil des Insolvenzverfahrens ist eine Realisierung in voller Höhe eher selten. Ist der Auftrag und die unbezahlte Rechnung aus der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann die Titulierung der offenen Rechnung sinnvoll sein, um z.B. die Verjährung der Forderung zu vermeiden. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens kann dann die Zwangsvollstreckung vorgenommen werden. Eine weitere Frage steht aber auch in diesem Fällen im Raum: sofern ein Verbraucher einen Auftrag trotz laufendem Insolvenzverfahren tätigt und der Rechnungsbetrag kann nicht aus dem monatlichen Pfändungsfreibetrag bezahlt werden, hat sich der Kunde evtl. sogar wegen Betruges strafbar gemacht, weil er seine Leistungsfähigkeit/Zahlungsfähig nur vorgespielt hat. Diese Frage sollte dann auch mit einem Anwalt zusammen überprüft und ggf. weiterverfolgt werden.

Verjährung beachten!
Bei der Titulierung einer offenen/unbezahlten Forderung sollte dringend auch die Frage der Verjährung der Forderung geklärt werden. Die Verjährungsfrist beträgt in Regel u.a. bei Warenlieferungen und Dienstleistungen 3 Jahre und beginnt am Jahresende des Jahres der Rechnungsstellung. Ist eine Forderung verjährt, kann der Kunde/Schuldner den Ausgleich der Rechnung gesetzeskonform mit dem Hinweis auf die Verjährungsfrist ablehnen.

Zielführendes Vorgehen
Die Recherchen zu den oben gestellten Fragen und die Abstimmung mit dem Auftraggeber welcher Weg möglich, zielführend und kaufmännisch sinnvoll ist, dauern in der Regel nur wenige Tage. Das gerichtliche Mahnverfahren ist ein schnelles und kostengünstiges Verfahren zur Titulierung von offenen Forderungen, das mit der Erteilung eines Vollstreckungsbescheides endet, sofern der Schuldner keinen Einspruch gegen die Forderung vor dem Mahngericht erhebt.

Die vielen Möglichkeiten der Realisierung in der Praxis
Mit dem Vollstreckungsbescheid können nun verschiedene Wege der Vollstreckung eingeschlagen werden und z.B. Zahlungsansprüche des Kunden/Schuldners gegenüber Dritten gepfändet werden. Im Rahmen der Bonitätsauskünfte sind oftmals Informationen zu Arbeitgebern, Bankkonten, Rentenversicherungen aber auch ggf. Grundvermögen zu ermitteln. An dieser Stelle sollte sorgfältig die sinnvollste Vollstreckungsmaßnahme geplant werden. Ist zum Beispiel der offenen Rechnungsbetrag höher als das pfändbare Einkommen, und es müssen zur Tilgung des offenen Betrages mehrere Monatsgehälter gepfändet werden, kann es sein, dass der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter kündigt. Die Reaktion ist vielleicht nachvollziehbar, hilft aber bei der Realisierung der offenen Beträge nicht weiter. Hier bekommen wir dann mit Glück ein oder zwei Teilbeträge bis zum letzten Gehalt. Und dann ist diese Vollstreckungsmöglichkeit schon wieder versiegt. Daher kann es z.B. sinnvoller sein, das Girokonto zu pfänden auf dem das Gehalt eingeht, um den Arbeitsplatz des Kunden/Schuldners nicht zu gefährden.
Neben dem Arbeitslohn können auch weitere Ansprüche des Arbeitsnehmers gepfändet werden. Ist dieser zum Beispiel Geschäftsführer eines Unternehmens, können auch Provisionen und Tantiemen gepfändet werden ebenso wie Gesellschaftsanteile, sofern der Kunde/Schuldner=Geschäftsführer Anteile an der Gesellschaft erhalten oder gekauft hat.
Weiterhin besteht die Möglichkeit Sparguthaben, Kapitalversicherungen, Rentenversicherungsansprüche zu pfänden oder gar Sicherungshypotheken auf Grundstücke und Gebäude eintragen zu lassen.

Individuelle Lösungen statt Schema F
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten eine offene Rechnung zu realisieren. Hierbei ist wichtig, dass eine sinnvolle und zielführende Strategie entworfen wird, um den besten Weg zu finden. Das ist oftmals Detektivarbeit, die sich am Ende regelmäßig für den Auftraggeber auszahlt. Sein Kunde/Schuldner erhält stets die Möglichkeit, die offenen Beträge zu bezahlen und bekommt die möglichen Konsequenzen dargelegt, die eine Nichtzahlung mit sich bringen kann. In einigen Fällen ist eine Titulierung der Forderung nicht sinnvoll oder nicht mehr möglich (Insolvenzverfahren). Trotzdem ist es möglich und gelingt in vielen Fällen, hier z.B. mit kleinen Ratenzahlungen zum Ziel zu kommen und so eine Lösung für alle Beteiligten zu finden. Jeder Inkassofall ist anders und es gibt keine Standartlösung. Das bedeutet auch, dass eine Realisierung der offenen Rechnung selten in 3 Wochen möglich ist. Aber mit Erfahrung, respektvollem Umgang, guter Recherche und etwas Zeit sind viele offene Rechnungen realisierbar.